Aegidius (Feldherr)




Aegidius († 464/65) war ein weströmischer Heermeister des 5. Jahrhunderts in Gallien (magister militum per Gallias) und nach 461 ein unabhängig von der weströmischen Regierung herrschender Machthaber („Warlord“) in Nordgallien.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Leben


  • 2 Literatur


  • 3 Weblinks


  • 4 Anmerkungen





Leben |


Aegidius stammte eventuell, was sich aber nur aus Indizien erschließen lässt, aus der gallorömisch-senatorischen Familie der Syagrii – der Konsul des Jahres 382, Flavius Afranius Syagrius, könnte sein Groß- oder Urgroßvater gewesen sein[1] – und war mit dem weströmischen Kaiser Maiorianus befreundet, mit dem er zusammen in der Armee gedient hatte.[2] Aufgrund von ungenauen Angaben in den Quellen ist der Zeitpunkt von Aegidius' Übernahme des Militärkommandos in Gallien nicht genau zu bestimmen. Der Amtsantritt dürfte aber in den Zeitraum 456/57 fallen, als er zum magister militum per Gallias ernannt wurde.[3]Gregor von Tours (Historien 2, 12) berichtet davon, dass Aegidius acht Jahre sogar König der Franken gewesen sein soll. Diese Nachricht ist sagenhaft ausgeschmückt und daher kaum historisch. Den Kern dürfte das lange Bündnis zwischen Aegidius und den salischen Franken darstellen.[4] Allerdings ist es ebenfalls möglich, dass Aegidius und der Salfrankenkönig Childerich I. politische Konkurrenten waren,[5] da die Quellen in Bezug auf die Beziehungen zwischen Aegidius und Childerich sehr spärlich sind. Die in Childerichs Grab bei Tournai gefundenen militärischen Ausrüstungsgegenstände für hohe Offiziere können durchaus seine Ernennung nur zum titularen magister militum bezeichnen.


Die Schwäche des weströmischen Reiches nach der Ermordung des Aëtius versuchten mehrere barbarische Stämme zu nutzen. Aegidius führte daher im Sommer 457 Operationen gegen die ripuarischen Franken (Rheinfranken) am Rhein durch, wobei Köln geräumt werden musste. 458 eroberte er das von den Burgunden zuvor besetzte Lyon zurück und verteidigte erfolgreich Arles, den Sitz der gallischen Prätoriumspräfektur, gegen die Westgoten. Bald darauf schloss Kaiser Maiorian jedoch einen Vertrag (foedus) mit den Burgunden, der ihnen ihr Siedlungsgebiet in der Region Sapaudia garantierte; auch der alte Vertrag mit den Westgoten wurde erneuert. Eine Folge dieses Vorgehens war vermutlich die Lösung der betreffenden Territorien aus der römischen Militärverwaltung.


Dennoch war Aegidius bestrebt, die römische Oberhoheit in ganz Gallien zu wahren bzw. wiederherzustellen, was sich letztlich jedoch als aussichtsloses Unterfangen herausstellte. Im August 461 ließ der mächtige Heermeister Ricimer, im Amte des magister militum praesentalis et patricius die „graue Eminenz“ hinter dem weströmischen Kaiserthron in Ravenna, Kaiser Maiorian umbringen. Grund war die eigenständige, aber verlustreiche Politik des Kaisers, deren Scheitern eine misslungene Militäroperation gegen die Vandalen in Nordafrika gezeigt hatte (Schlacht bei Cartagena). Aegidius rebellierte daraufhin gegen Ricimer und plante sogar die Invasion Italiens, woraufhin Ricimer die Westgoten gegen ihn mobilisierte. Außerdem wurde Agrippinus, ein alter Feind des Aegidius und vor diesem magister militum per Gallias, nach Gallien entsandt, um Aegidius abzulösen. Dieser konnte sich jedoch behaupten.[6]


Aegidius zog sich nach Nordgallien zurück und schaffte es, in der Region um Soissons eine gallorömische Enklave als Machtbereich zu verteidigen, zumal er weiterhin die Befehlsgewalt über den Großteil des gallischen Heeres, faktisch dessen Reste, ausübte.[7] Er verbündete sich außerdem wahrscheinlich mit dem Salfrankenkönig Childerich. Es gibt allerdings die Meinung, dass Aegidius und Childerich Konkurrenten waren (siehe auch oben).[8] Aegidius unternahm offenbar Feldzüge gegen die Westgoten; so belagerte er (vermutlich 462/63) Chinon.[9] 463 schlug er die Westgoten bei Orléans. 464 nahm er Kontakt zu den Vandalen auf, um weitere Aktionen gegen Ricimer zu planen,[10] doch starb er kurz darauf. Die Umstände seines Todes sind unbekannt; zudem ist es möglich, dass er erst 465 verstarb. Manchmal wird vermutet, dass Ricimer ihn ermorden ließ, doch ist dies unbewiesen.[11]


Die Nachfolge in seinem Herrschaftsbereich trat womöglich zunächst der comes Paulus an, der aber kurz darauf getötet wurde.[12] Auf ihn folgte der Sohn des Aegidius, Syagrius, der sich bis 486/87 behaupten konnte, bevor er sein Machtgebiet mit Soissons an die Franken unter Chlodwig I. verlor und umgebracht wurde.



Literatur |



  • Friedrich Anders: Flavius Ricimer. Macht und Ohnmacht des weströmischen Heermeisters in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Bd. 1077). Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2010, ISBN 978-3-631-61264-4 (Zugleich: Berlin, Humboldt-Universität, Dissertation, 2009).


  • Alexander Demandt: magister militum. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Supplementband XII, Stuttgart 1970, Sp. 553–790, hier Sp. 687–691 (mit Diskussion der wichtigsten Quellen).

  • David Frye: Aegidius, Childeric, Odovacer and Paul. In: Nottingham Medieval Studies. Bd. 36, 1992, ISSN 0078-2122, S. 1–14, doi:10.1484/J.NMS.3.200.

  • Guy Halsall: Barbarian Migrations and the Roman West, 376–568. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2007, ISBN 978-0-521-43491-1.

  • Dirk Henning: Periclitans res Publica. Kaisertum und Eliten in der Krise des weströmischen Reiches, 454/5–493 (= Historia. Einzelschriften. Bd. 133). Steiner, Stuttgart 1999, ISBN 3-515-07485-6 (Zugleich: Marburg, Universität, Dissertation, 1998).

  • Penny MacGeorge: Late Roman Warlords. Oxford University Press, Oxford u. a. 2002, ISBN 0-19-925244-0, S. 71 ff.

  • John Robert Martindale: Aegidius (Feldherr). In: The Prosopography of the Later Roman Empire (PLRE). Band 2, Cambridge University Press, Cambridge 1980, ISBN 0-521-20159-4, S. 11–13.


  • Otto Seeck: Aegidius. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,1, Stuttgart 1893, Sp. 476 f.


  • Ernst Stein: Geschichte des spätrömischen Reiches. Band 1: Vom römischen zum byzantinischen Staate. (284–476 n. Chr.). Seidel, Wien 1928, S. 559–565.



Weblinks |



  • Aegidius im Portal Rheinische Geschichte


Anmerkungen |




  1. Dirk Henning: Periclitans res Publica. Stuttgart 1999, S. 294.


  2. Priskos, Fragment 30


  3. Ernst Stein: Geschichte des spätrömischen Reiches. Band 1. Wien 1928, S. 559; zum Problem der Datierung des Amtsantritts vgl. Alexander Demandt: magister militum. In: RE Supplementband 12. Stuttgart 1970, Sp. 688f.


  4. Vgl. Penny MacGeorge: Late Roman Warlords. Oxford 2002, S. 97.


  5. Guy Halsall: Barbarian Migrations and the Roman West, 376–568. Cambridge 2007, S. 303f.


  6. Friedrich Anders: Flavius Ricimer. Frankfurt a. M. 2010, S. 424f.


  7. Friedrich Anders: Flavius Ricimer. Frankfurt a. M. 2010, S. 421, nimmt höchstens 3000 bis 4000 Mann an.


  8. David Frye: Aegidius, Childeric, Odovacer and Paul. In: Nottingham Medieval Studies. Band 36, 1992, S. 1–14.


  9. Davon berichtet Gregor von Tours, Liber in gloria confessorum 22.


  10. Welche Ziele Aegidius allerdings genau verfolgte, ist unklar, zumal er sich nicht zum Gegenkaiser ausrief. Vgl. Dirk Henning: Periclitans res Publica. Stuttgart 1999, S. 290ff., speziell S. 298f.


  11. Friedrich Anders: Flavius Ricimer. Frankfurt a. M. 2010, S. 425.


  12. Gregor von Tours, Historien, 2, 18. Mehrere Forscher (u. a. Dirk Henning: Periclitans res Publica. Stuttgart 1999, S. 300f., Anmerkung 96) glauben allerdings nicht, dass Paulus der Nachfolger des Aegidius war. Guy Halsall: Barbarian Migrations and the Roman West, 376–568. Cambridge 2007, S. 270, hält es für möglich, dass Paulus im Auftrag Childerichs agierte. Genaueres ist kaum zu sagen, da Gregor nichts zum Status des Paulus berichtet.























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