Orosius




Paulus Orosius (* um 385; † um 418) war ein in Hispanien (möglicherweise in Braga in der Provinz Gallaecia) geborener spätantiker Historiker und christlicher Theologe.





Historiae adversus paganos, 1561




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Leben und Werk


  • 2 Ausgaben und Übersetzungen


    • 2.1 Editionen


    • 2.2 Übersetzungen




  • 3 Literatur


  • 4 Weblinks





Leben und Werk |


Als christlicher Priester zeigte Orosius Interesse an der Auseinandersetzung um den Priscillianismus, der sich in seinem Geburtsland ausbreitete, und es ist möglich, dass er aufgrund dessen Augustinus in Hippo im Jahr 413 oder 414 aufsuchte. Nachdem er einige Zeit in Africa als sein Schüler geblieben war, wurde er von ihm 415 mit einem Empfehlungsbrief an den Kirchenvater Hieronymus nach Palästina gesandt, dann nach Betlehem.


Der vordergründige Zweck seiner Mission (abgesehen von einer Pilgerfahrt und vielleicht dem Erwerb von Reliquien) war, weitere Unterweisung von Hieronymus zu den von den Priscillianern und Origenisten aufgeworfenen Fragen zu erhalten; tatsächlich aber sollte Orosius offenbar Hieronymus und andere gegen Augustinus’ Gegner Pelagius in Stellung bringen, der seit der Synode von Karthago 411 in Palästina lebte und dort auch einige Akzeptanz fand.


Das Ergebnis von Orosius’ Ankunft war, dass Johannes, der Bischof von Jerusalem, sich veranlasst sah, in seiner Residenz für Juni 415 eine Synode einzuberufen, auf der Orosius über die Entscheidungen von Karthago berichtete und aus Augustinus' Schriften jene Abschnitte verlas, die sich gegen Pelagius richteten. Erfolg war schwerlich zu erwarten bei den orientalischen Christen, die vielfach kaum Latein verstanden und deren Sinn für Pietät zuvor durch Pelagius’ Frage et quis est mihi Augustinus? berührt worden war.


Alles, was Orosius erreichte, war Johannes’ Zusage, einen Brief und eine Gesandtschaft nach Rom zum dortigen Bischof Innozenz I. zu schicken. Nachdem er lange genug gewartet hatte, um die unvorteilhaften Entscheidungen der Synode von Diospolis oder Lydda vom Dezember des gleichen Jahres zur Kenntnis zu nehmen, kehrte Orosius nach Nordafrika zurück, wo er vermutlich gestorben ist. Nach Gennadius brachte er kürzlich entdeckte Reliquien des Märtyrers Stephanus von Palästina nach Menorca, wo sie bei der Konversion der Juden eingesetzt wurden.


Das früheste Werk des Orosius, Consultatio sive commonitorium ad Augustinum de errore Priscillianistarum et Origenistarum, erklärt sein Ziel im Titel; es wurde bald nach seiner Ankunft in Africa geschrieben und wird üblicherweise in den Werken des Augustinus vor dessen Antwort Contra Priscillianistas et Origenistas liber ad Orosium gedruckt.


Seine nächste Abhandlung, Liber apologeticus de arbitrii libertate, schrieb er während seines Aufenthalts in Palästina und in Verbindung mit der Kontroverse, die ihn dort beschäftigte. Es ist eine scharfe und nicht immer gerechte Kritik des Pelagianismus vom Standpunkt des Augustinus aus.


Orosius’ mit Abstand berühmtestes Werk, die Historiae adversum Paganos, wurden auf Augustinus’ Anregung hin begonnen, dem die Schrift auch gewidmet ist. Als Augustinus diese Aufgabe vorschlug, hatte er schon sein eigenes Werk De civitate Dei begonnen, und es sind dann vielfach die gleichen Argumente, die von seinem Schüler Orosius weiter ausgearbeitet wurden – vor allem der anhand einer geschichtsphilosophischen Betrachtung versuchte Beweis, dass die Welt mit dem Auftritt des Christentums keineswegs schlechter geworden sei, sondern sich in der Vergangenheit, die er als Leidensgeschichte zeichnet, mindestens vergleichbare, eher noch schlimmere Katastrophen ereignet hätten. Das Projekt war notwendig geworden, da sich aufgrund des offenkundigen Verfalls des weströmischen Reiches seit etwa 400 und insbesondere seit der Eroberung Roms durch Alarich I. im Jahr 410 die Stimmen gemehrt hatten, die die Abkehr von den alten Göttern für die schwierige Lage verantwortlich machten. Augustinus und Orosius ging es darum, darzulegen, dass die Römer auch in früherer Zeit von Katastrophen getroffen worden waren, weshalb das Christentum nicht für die aktuellen Probleme verantwortlich zu machen sei, deren Bedeutung zudem teils heruntergespielt wird.


In diesem Werk war auch ein Abschnitt, der sich mit der Kosmographie befasste. Er wurde auch als eigenes Werk veröffentlicht, oft auch zusammen mit einer Kosmographie des Iulius Honorius. Sie war weit verbreitet und wurde von vielen späteren Schriftstellern benutzt, so von Jordanes, Isidor von Sevilla, Beda Venerabilis, Adam von Bremen, Honorius Augustodunensis, Otto von Freising und anderen.


Die Arbeit des Orosius, eine Art Chronik der Katastrophen, die der Menschheit bis zum Jahr 417 widerfahren seien, ist das früheste Beispiel von systematischem Gebrauch der Jahreszählung ab urbe condita (auch wenn diese von Varro berechnete Zählung bereits viel früher von Autoren wie Livius verwendet worden war). Das Werk ist leider wenig genau und nicht instruktiv; es gibt auch keinen Anlass zu literarischem Kommentar. Das Werk Historiae war jedoch der erste Versuch, die Geschichte der Welt aus dezidiert christlicher Sicht als Geschichte einer von Gott geleiteten Menschheit zu schreiben. Seine Absicht ist in den Augen der „Orthodoxen“ auch sein Wert, und die Hormesta, Ormesta oder Ormista, wie es auch genannt wird, ohne dass der Grund dafür bekannt ist, erreichte schnell eine große Popularität. Nahezu zweihundert Manuskripte dieses Werks sind erhalten geblieben, auch eine freie und gekürzte Übersetzung für den britischen König Alfred (altenglischer Text mit der lateinischen Vorlage, herausgegeben von H. Sweet, 1883). Die Quellen, derer sich Orosius bediente, wurden von Theodor von Mörner ermittelt: neben dem Alten und Neuen Testament scheint er vor allem Caesar, Livius, Junianus Justinus, Tacitus, Sueton, Florus und eine Kosmographie herangezogen und zudem großen Wert auf Hieronymus’ Übersetzung der Kirchengeschichte des Eusebius von Caesarea gelegt zu haben.


Die Geschichte des Orosius wurde als Kitāb Hurūšiūš („Buch Orosius“) ins Arabische übersetzt und wurde später eine der Quellen für Ibn Chaldun. Die Datierung dieser Übersetzung ist unsicher, traditionell wird eine Übersetzung unter oder gar durch al-Hakam II. von Córdoba angenommen, die Herausgeberin Mayte Penelas spricht sich aber wegen einiger Stellen in den Aḫbār mulūk al-Andalus („Die Taten der Könige von al-Andalus“) des Historiographen Aḥmad ibn Muḥammad al-Rāzī („el moro Rasis“) für eine frühere Übersetzung aus und vermutet – auch wegen christlicher Interpolationen –, dass an dieser u. a. ein mozarabischer Richter mitgewirkt hat.



Ausgaben und Übersetzungen |



Editionen |



  • Paulus Orosius: Commonitorium de errore Priscillianistarum et Origenistarum. Ed. Georg Schepss. In: Corpus der Lateinischen Kirchenväter, Bd. 18. Wien 1889, S. 149–157.

  • Paulus Orosius: Historiarum adversum paganos libri VII. Hrsg. v. Karl Zangemeister. In: Corpus der Lateinischen Kirchenväter, Bd. 5. Wien 1882, S. 149–157. 2. Aufl. Hildesheim 1967, 1–600.

  • Paulus Orosius: Liber apologeticus contra Pelagianos. Hrsg. v. Karl Zangemeister. In: Corpus der Lateinischen Kirchenväter, Bd. 5. Wien 1882, S. 149–157. 2. Aufl. Hildesheim 1967, 601–664.

  • The Old English Orosius, ed. by Janet Bately (= Early English Text Society, Supplementary Series 8). Oxford usw. 1980, ISBN 0-19-722406-7.

  • Mayte Penelas: Kitāb Hurūšiūš (Traducción árabe de las 'Historiae adversus Paganos' de Orosio). In: Fuentes Arábico-Hispanas, 26, Madrid 2001 (mit Edition des erhaltenen arabischen Textes).



Übersetzungen |



  • A. T. Fear (Übers.): Orosius. Seven books of history against the pagans. Liverpool 2010.


  • Adolf Lippold (Hrsg. und Übers.): Orosius. Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht. 2 Bde. 1985/86.



Literatur |




  • Hartwin Brandt: Historia magistra vitae? Orosius und die spätantike Historiographie. In: Andreas Goltz, Hartmut Leppin, Heinrich Schlange-Schöningen (Hrsg.): Jenseits der Grenzen. Beiträge zur Geschichtsschreibung im Übergang von der Antike zum Mittelalter. Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-020646-3, S. 121–133. 


  • Justus Cobet: Orosius' Weltgeschichte. Tradition und Konstruktion. In: Hermes 137, 2009, S. 60–92.

  • Justus Cobet: Orosius. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Band 26, Hiersemann, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-7772-1509-9, Sp. 567–576


  • Hans-Werner Goetz Die Geschichtstheologie des Orosius. Darmstadt 1980.

  • Hans-Werner Goetz: Orosius und die Barbaren. In: Historia. Band 29, 1980, S. 356–376.

  • Gerhard Hingst: Zu offenen Quellenfragen bei Orosius. Wien 1973.

  • Suzanne Karrer: Der Gallische Krieg bei Orosius. Zürich 1969.


  • Adolf Lippold: Rom und die Barbaren in der Beurteilung des Orosius. Dissertation, Erlangen 1952.

  • Adolf Lippold: Die Darstellung des ersten Punischen Krieges in den Historiarum adversum paganos libri VII des Orosius. In: Rheinisches Museum für Philologie 97, 1954, S. 254–286.

  • Adolf Lippold: Orosius, christlicher Apologet und römischer Bürger. In: Philologus 113, 1969, S. 92–105.

  • Adolf Lippold: Griechisch-makedonische Geschichte bei Orosius. In: Chiron 1, 1971, S. 437–455.


  • Peter Van Nuffelen: Orosius and the Rhetoric of History. Oxford 2012 (aktuelles Standardwerk)



Weblinks |



 Wikisource: Orosius – Quellen und Volltexte



  • Literatur von und über Orosius im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek


  • Orosius als Quelle für Ibn Khaldun (engl.)


  • Linksammlung zu Orosius (engl.)


  • Historiae Adversum Paganos (lat.)




























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