Sarkophag
Ein Sarkophag (von altgriechisch σαρκοφάγος sarkophágos „fleischfressend“)[1] ist ursprünglich ein Steinsarg. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden heute auch Särge aus Metall oder anderen dauerhaften Materialien als Sarkophag bezeichnet, vor allem wenn sie zugänglich in Grüften oder Kirchen aufgestellt sind und im Gegensatz zum Holzsarg für eine dauerhafte Erhaltung gedacht sind.
Inhaltsverzeichnis
1 Etymologie
2 Ägypten
3 Kretominoische Kultur
4 Hellenismus
5 Rom
6 Römische Provinzen
7 Christentum
8 Antikes Judentum
9 Nachleben antiker Sarkophage
9.1 Frühes Mittelalter
9.2 14. Jahrhundert
10 Psychologische Deutung
11 Siehe auch
12 Literatur
13 Weblinks
14 Anmerkungen
15 Einzelnachweise
Etymologie |
Das Wort Sarkophag setzt sich zusammen aus den beiden griechischen Begriffen σάρξ sárx „Fleisch“ und φαγεῖν (Aorist zu ἐσθίω, esthío) phagein „essen“.[A 1] Es bedeutet wörtlich fleischfressend und wird als Adjektiv von Tieren wie z. B. Raubvögeln benutzt. In hellenistischer und römischer Zeit bezeichnet λίϑος σαρκοφάγος líthos sarkophágos (wörtlich „fleischfressender Stein“) einen bei Assos in der Troas gebrochenen Kalkstein[1] (Alaunschiefer), dem die Eigenschaft nachgesagt wurde, den bestatteten Leichnam innerhalb von 40 Tagen – mit Ausnahme der Zähne – verwesen zu lassen. Daher legte man Särge mit diesem Stein gern aus oder stellte die Särge ganz aus ihm her; ein solcher Sarg hieß selbst σαρκοφάγος, wobei das Substantiv σορός sorós „Sarg“ meist weggelassen wurde.[1] Später wurde das Adjektiv allgemein für Steinsärge verwendet.
Ägypten |
Die ägyptischen Sarkophage sind meist aus Kalkstein, seltener aus Basalt oder anderen Materialien. Die ältesten Funde stammen aus der Zeit des Djoser und es finden sich sowohl innen als auch außen manchmal Hieroglyphen und Reliefbilder von Göttinnen.
Ähnlich sind die Sarkophage phönizischer Herkunft. Unter diesen gibt es auch Sarkophage aus rotem oder schwärzlichem Gestein, worin Könige und Priester beigesetzt wurden. Einzelne dieser Sarkophage haben eine Aussparung für den Kopf des Verstorbenen.
Kretominoische Kultur |
Auch in der kretominoischen Kultur war es seit der Vorpalastzeit üblich, Verstorbene in Sarkophagen zunächst aus Holz und später aus Terrakotta zu bestatten; die Toten wurden in versammelter Haltung, also quasi „gefaltet“, beigesetzt. Unterschieden werden innen und außen bemalte Wannensarkophage von den nur außen verzierten Kastensarkophagen.
Hellenismus |
In Griechenland waren Steinsarkophage in ältester Zeit nicht üblich. Man verwendete dafür aus einzelnen Ziegeln oder Tonplatten zusammengesetzte Behälter. In den ausgemauerten Grabmauern setzte man den Leichnam in hölzernen Särgen bei, die sich noch in den Gräbern der Krim gefunden haben. In Etrurien waren an Stelle der Sarkophage die so genannten Aschenkisten getreten, kleine, aus Ton oder Alabaster gefertigte, bunt bemalte Urnen, vorne mit Reliefs, die auf dem Deckel meist mit der ganzen, gelagerten Figur des Verstorbenen geschmückt waren.
Bei Plinius[2] heißt es: „Auf Assos in Troias wird der Stein Sarcophagus, mit spaltbarer Ader, zerschnitten. Die in ihn gelegten Körper Verstorbener werden, wie man bestimmt weiß, innerhalb 40 Tagen bis auf die Zähne verzehrt“.[A 2] Gewöhnlich wurden die Särge zur Beförderung der Verwesung mit Alunit ausgelegt.[3] Noch jetzt stehen solche Särge bei Assos auf Piedestalen.[4]Juvenal erwähnt die Beisetzung Alexanders des Großen in einem Sarkophag.[5]
Ab diesem Zeitpunkt kommen in Griechenland die eigentlichen Sarkophage auf. Es sind anfangs ziemlich große, aus Marmor gefertigte, kastenartige Behälter, die meist architektonisch in Form von Tempeln gegliedert sind, mit einem Giebeldach als Deckel und die Reliefs der Seitenwände noch monumental aufgefasst.
Rom |
Daraus entwickelt sich die römische Form des Sarkophags, der durchschnittlich kleiner und mit reichlicherem Reliefschmuck versehen ist. Die Szenen darauf sind meist der Mythologie entnommen, haben aber oft auch einen Bezug auf die Tätigkeit, die Eigenschaften und Vorzüge des Verstorbenen. Obwohl es sich dabei um mythische Figuren handelt, wird ihnen oft das Porträt des Bestatteten und seiner Gattin verliehen.
Römische Provinzen |
In den römischen Provinzen wurden zahlreiche Sarkophage gefunden, die nur schlichte oder gar keine Reliefverzierung aufweisen. Gesteinsuntersuchungen legen nahe, dass diese sehr einfachen Exemplare wohl häufig aus regional vorkommenden Steinarten angefertigt wurden.
Christentum |
Das Christentum übernahm die Sitte der Bestattung in Sarkophagen. Im letzten Drittel des 3. Jahrhunderts erscheinen erstmals Motive aus dem Alten und Neuen Testament auf Steinsärgen. Zu den bedeutendsten Vertretern christlicher Sarkophage gehört das in der Mitte des 4. Jahrhunderts für den römischen Stadtpräfekten Iunius Bassus Theotecnius angefertigte Exemplar.
Antikes Judentum |
Aus Palästina sind Sarkophagbestattungen bekannt. Auch einzelne Mitglieder von Gemeinden in Rom verwandten Sarkophage, als Verzierung wurde etwa eine Menorah benutzt.
Nachleben antiker Sarkophage |
Viele antike Sarkophage sind bis in das späte Mittelalter hinein ohne weiteres für christliche Bestattungen verwendet worden. Karl der Große wurde vielleicht schon bei seinem Tod im Jahr 814, vielleicht auch erst nach Aufdeckung seiner Gebeine (1165) in dem bekannten Proserpina-Sarkophag bestattet. Seit der Erhebung seiner Gebeine in den Karlsschrein (1215) ist der Sarkophag leer und wird heute in der Aachener Domschatzkammer gezeigt. Auf der Vorderseite sowie den beiden Seitenteilen ist der griechisch-römische Mythos vom „Raub der Proserpina“ dargestellt. Antike Sarkophagreliefs haben der hochmittelalterlichen und modernen Bildhauerei erste Anregungen zu einem neuen Aufschwung gegeben.
Frühes Mittelalter |
In Regionen mit romanischer Bevölkerung ist die Sitte, Bestattungen in Sarkophagen anzulegen, auch noch in nachrömischer Zeit bekannt. Neben rechteckigen Steinsärgen werden häufig trapezförmige Exemplare beobachtet. Frühmittelalterliche Sarkophage sind häufig unverziert oder tragen schlichte Ornamente.
14. Jahrhundert |
„Der steinerne Severi-Sarkophag in Erfurt verwahrt die Reliquien eines heiligen Bischofs. Eine Fenestella [Fensterchen] in der Seitenwand gewährt den Einblick in das Monument. […] Die Tatsache, dass ein Leichnam in einem oberirdisch stehenden Sarkophag aufbewahrt wurde, deutete immer die Heiligkeit der darin ruhenden Gebeine an: denn nur den Heiligen stand eine überirdische Aufbewahrung zu. […] Eine Heiligsprechung erfolgte jedoch nicht in jedem Fall, wie einige Beispiele zeigen:
- so der Sarkophag für Herrscher wie für Kaiser Friedrich II.
- oder auch für die in der Krypta der Peterskirche zu Rom beigesetzten Päpste.
Das Phänomen der oberirdischen Sarkophag-Bestattung scheint eher auf den heiligenähnlichen Status der „Gerechten“ anzuspielen, welcher auch Herrschern und hohen Kirchenfürsten zugesprochen wurde.“[6]
Psychologische Deutung |
Für die analytische Psychologie in der Tradition Carl Gustav Jungs gilt der Sarkophag als Ausprägung des nefasten Aspekts des sogenannten Mutterarchetyps, also der zerstörenden und verschlingenden Mutter.
Siehe auch |
- Die antiken Sarkophagreliefs
- Kaiserzeitliche Sarkophage
- Nuklearkatastrophe von Tschernobyl
- Mumie
- Mumifizierung
- Sepulkralkultur
Nekropole von Marshan, Marokko
Literatur |
- Anna Maria Donadoni Roveri: I sarcofagi egizi dalle origini alla fine dell'Antico Regno. Rom 1969 (PDF; 46,5 MB).
Josef Engemann: Untersuchungen zur Sepulkralsymbolik der späteren römischen Kaiserzeit (= Jahrbuch für Antike und Christentum 2). Unveränderter Nachdruck der 1. Auflage. Aschendorff, Münster 1979, ISBN 3-402-07055-3 (Zugleich: Bonn, Univ., Habil.-Schr., 1972).
Guntram Koch, Hellmut Sichtermann: Römische Sarkophage. Beck, München 1982, ISBN 3-406-08709-4.- Guntram Koch, Rita Amedick (Hrsg.): Akten des Symposiums „125 Jahre Sarkophag-Corpus“ (= Sarkophag-Studien 1). von Zabern, Mainz 1998, ISBN 3-8053-2344-1.
- Guntram Koch: Frühchristliche Sarkophage. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45657-X.
- Michael Koortbojian: Myth, Meaning, and Memory on Roman Sarcophagi. University of California Press, Berkeley CA 1995, ISBN 0-520-08518-3.
Friedrich Matz (Hrsg.): Die antiken Sarkophagreliefs. Mann, Berlin, 1890–lfd.- R Müller, H. Lamer von Wurmstein: Die leichenverzehrenden Sarkophage bei Plinius. In: Die Umschau 36, Nr. 12, 1932, ISSN 0372-4409, S. 239–240, 598 [2, 211].
- Wolfgang Neumann, Andrea Linnebach: Vom Totenbaum zum Designersarg. Zur Kulturgeschichte des Sarges von der Antike bis zur Gegenwart. Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal, Kassel 1993, ISBN 3-924447-08-X.
Karl Schefold: Der Alexander-Sarkophag. Propyläen-Verlag, Berlin 1968.
Weblinks |
Wiktionary: Sarkophag – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Sarkophage – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Sarkophag – Das grosse Kunstlexikon von P.W. Hartmann
Sensationsfund in Theben: Deutsche finden großen Sarkophag (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive) (Deutsches Archäologisches Institut)
Anmerkungen |
↑ Genauer handelt es sich hierbei um den Ersatz für den Infinitiv Aorist des (nur im Präsens und Imperfekt gebrauchten) Verbs ἐσϑίειν esthíein „essen“.
↑ Übersetzung von Philipp Hedwig Külb (Cajus Plinius Secundus Naturgeschichte. Band ?, Stuttgart 1856) vom ursprünglichen Text (xxvii, 131): In Asso Troiadis sarcophagus lapis fissili vena scinditur. Corpora defunctorum condita in eo, absumi constat intra XL diem exceptis dentibus.
Einzelnachweise |
↑ abc Wilhelm Pape, Max Sengebusch (Bearb.): Handwörterbuch der griechischen Sprache. 3. Auflage, 6. Abdruck, Vieweg & Sohn, Braunschweig 1914. Abgerufen am 29. November 2016.
↑ Gaius Plinius Secundus: Naturalis historia. Nr. 36, S. 27.
↑ In der Anmerkung von Külb erwähnt (Philipp Hedwig Külb: Cajus Plinius Secundus Naturgeschichte. Band ? Stuttgart 1856, Seite ?).
↑ Karl Otfried Müller: Handbuch der Archäologie der Kunst. 1. Auflage, Max, Breslau 1830, § 294, Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv.
↑ Erwähnung bei Juvenal: saturae. 10. 172.
↑ Helga Wäß: Form und Wahrnehmung mitteldeutscher Gedächtnisskulptur im 14. Jahrhundert. Ein Beitrag zu mittelalterlichen Grabmonumenten, Epitaphen und Kuriosa in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Nord-Hessen, Ost-Westfalen und Südniedersachsen. Band 1. TENEA, Berlin 2006, ISBN 3-86504-159-0, S. 385 (Zugleich: Göttingen, Univ., Diss., 2001).