Patrizier










Bild eines wohlhabenden Patriziers (1569) von Ludger tom Ring


Patrizier (Latein: patricius, Griechisch: πατρίκιος) war die Bezeichnung für Angehörige der alteingesessenen Oberschicht im antiken Rom. Davon abgeleitet wird auch die sozial relativ abgeschlossene Oberschicht in vielen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten Patriziat genannt. Die aristokratische Herrschaft des bürgerlichen Patriziats wird als Städtearistokratie bezeichnet.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Deutsche Städte des Mittelalters und der Frühneuzeit


  • 2 Literatur


  • 3 Siehe auch


  • 4 Weblinks


  • 5 Einzelnachweise





Deutsche Städte des Mittelalters und der Frühneuzeit |




Das Overstolzenhaus in Köln von 1225




Das Dreikönigenhaus (Trier) von 1230




Das Goliathhaus in Regensburg von 1260


In den deutschen Reichsstädten des Mittelalters bildete sich vom 11. Jahrhundert an ein Patriziat aus dem ehemaligen Ortsadel oder der örtlichen Ministerialität heraus. Sie nannten sich selbst „Geschlechter“, „patricius“ wird aber in lateinisch geschriebenen Urkunden und Schriftstücken auch auf die vornehmen, begüterten Bürger deutscher Städte angewendet.[1] Die Patrizier besetzten den Rat und wichtige andere städtische Ämter und versuchten, sich ein ausschließliches Recht auf diese Ämter zu wahren, also die Patrizier zu den alleinigen ratsfähigen Geschlechtern zu machen. Die vornehmlich als Kaufleute tätigen Patrizier schlossen sich in Gilden zusammen und setzten ein erbliches Recht auf die begehrten Ämter durch.


Mit dem Erstarken des Handwerks und der Herausbildung eines in Zünften organisierten Bürgertums kam es seit dem 13. Jahrhundert zu Kämpfen der Handwerker gegen die Vorrechte der in Gilden vereinigten Patrizier. In der Regel konnten die Zünfte eine Beteiligung am Stadtrat erlangen. In Köln wurde die gesamte Stadtverfassung auf die Zunftverfassung zugeschnitten, während sich in Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Bern, Frankfurt und in der Mehrzahl der Hansestädte das Patriziat behaupten konnte. Nur in Hamburg hat es kein geschlossenes Patriziat wie in den süddeutschen Reichsstädten, in Bremen und in Lübeck (Zirkelgesellschaft) gegeben. Dort erstarkten in der Folge die Hanseaten zur Führungsschicht.


Das mittelalterliche „Patriziat“ nannte sich selbst nicht so; man sprach üblicherweise von „Geschlechtern“, wie etwa für Köln, Frankfurt am Main, Augsburg und Nürnberg nachgewiesen. Der Ausdruck „Patrizier“ in seiner Übertragung auf die städtische Oberschicht des Mittelalters entstammt selbst nicht dieser Zeit, sondern erst der Renaissance. Im Jahr 1516 wurde der Nürnberger Ratskonsulent (Stadtjurist) Christoph von Scheurl (1481–1542) vom Generalvikar des Augustinerordens, Dr. Johann Staupitz, beauftragt, einen Abriss der Nürnberger Verfassung auszuarbeiten; diesen überreichte er am 15. Dezember desselben Jahres in Form der heute noch berühmten Epistel. Da diese Arbeit in lateinischer Sprache verfasst war, bezeichnete Scheurl die Nürnberger „Geschlechter“ in durchaus naheliegender Analogie zu römischen Verfassungszuständen als „patricii“, die dann in der zeitgenössischen Rückübersetzung zum „Patriziat“ wurden.[2] Das Wort setzte sich in dieser Verwendung jedoch erst im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts allgemein durch.[3]


Nicht nur in Reichsstädten gab es Patrizier. Auch in Städten mit einem fürstlichen Stadtherrn konnte sich ein Stadtadel entwickeln, so z. B. in München oder Münster. In Münster nannte der Volksmund die Angehörigen des Stadtadels Erbmänner. Die Erbmännerfamilien, von denen nicht wenige ritterbürtig waren, verteidigten im Rahmen des Erbmännerstreites die Anerkennung ihrer Zugehörigkeit zum stiftsfähigen und ritterbürtigen Uradel.


Die ältesten Patriziergeschlechter galten häufig als dem landgesessenen Adel ebenbürtig. So nimmt das genealogische Handbuch des Adels unverändert jene Familien auch ohne Adelsprädikat auf, deren Mitglieder nachweislich spätestens im 14. Jahrhundert erbgesessene Ratsgeschlechter in deutschen Reichsstädten waren.


Im Kurfürstentum und späteren Königreich Hannover waren die Hübschen Familien zwar in der Regel nicht adlig, stellten aber einen bildungsbürgerlichen Pool, aus dem die Monarchie ihre Staatsbeamten rekrutierte.



Literatur |



  • Michael Hecht: Patriziatsbildung als kommunikativer Prozess. Die Salzstädte Lüneburg, Halle und Werl in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (= Städteforschung. Reihe A: Darstellungen. Bd. 79). Böhlau, Köln u. a. 2010, ISBN 978-3-412-20507-2 (Zugleich: Münster, Universität, Dissertation, 2008), (Löst sich vom Handbuchwissen und untersucht "Patriziat" nicht als ständische Einheit, sondern als kommunikativ reproduzierte, dynamische und relationale Ordnungsvorstellung anhand von Besitz- und Beteiligungsverhältnissen, Organisationsstrukturen, sozialem Profil, Erinnerungskultur(en), Initiationsritualen, Zulassungskonflikten, Präzedenzstreitigkeiten, sozialen Erkennungszeichen, ständischen Rollen und Karrieremustern).

  • Wolfgang Wüst (Hrsg.): Patrizier – Wege zur städtischen Oligarchie und zum Landadel. Süddeutschland im Städtevergleich. Referate der internationalen und interdisziplinären Tagung. Egloffsteinsches Palais zu Erlangen, 7.-8. Oktober 2016. Peter Lang, Frankfurt am Main/New York/Bern u. a. 2018, ISBN 978-3-631-74325-6.



Siehe auch |




  • Patriziergesellschaften (Zusammenschlüsse von Mitgliedern einer mittelalterlichen städtischen Oberschicht)


  • Patrizierkrone (Italien)

  • Patriziat (Alte Eidgenossenschaft)

  • Regent von Amsterdam

  • Augsburger Patriziergeschlechter


  • Daig (Patriziat von Basel)

  • Patriziat (Bern)

  • Kölner Patriziat

  • Patriziat (Luzern)

  • Münchner Patriziergeschlechter


  • Erbmänner (Patriziat in Stadt und Hochstift Münster)

  • Patriziat (Nürnberg)

  • Ulmer Patriziergeschlechter

  • Patriziat und Nobilhòmini in Venedig



Weblinks |



 Wiktionary: Patrizier – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


Einzelnachweise |




  1. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache www.dwds.de


  2. Entstehungsgeschichte der Epistel auch in: Eberhard Isenmann: Gelehrte Juristen und das Prozessgeschehen in Deutschland im 15. Jahrhundert. In: Franz-Josef Arlinghaus, Ingrid Baumgärtner, Vincenzo Colli (Hrsg.): Praxis der Gerichtsbarkeit in europäischen Städten des Spätmittelalters (= Rechtsprechung. Bd. 23). Klostermann, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-465-04007-4, S. 305–417, hier S. 305, Fußnote 1.


  3. vgl. Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter. 1250–1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Ulmer, Stuttgart 1988, ISBN 3-8001-2571-4, S. 276.









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