Herrenhaus (Gebäude)




Als Herrenhaus oder Gutshaus wird ein von Landadligen oder Gutsherren bewohntes Gebäude mit Gutshof bezeichnet – sofern es sich dabei nicht um ein Schloss handelt. Die Bezeichnungen werden jedoch häufig synonym benutzt, besonders bei großen, künstlerisch gestalteten Anlagen.




Das Herrenhaus auf Gut Panker




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Allgemeines


  • 2 Herrenhäuser in Deutschland


    • 2.1 Brandenburg


    • 2.2 Mecklenburg-Vorpommern


    • 2.3 Nordrhein-Westfalen


    • 2.4 Schleswig-Holstein


    • 2.5 Rest von Preußen




  • 3 Nicht deutschsprachige Gebiete


  • 4 Moderne Nutzung


  • 5 Siehe auch


  • 6 Literatur


  • 7 Weblinks


  • 8 Einzelnachweise





Allgemeines |


Das Herrenhaus und das Schloss unterscheiden sich weniger durch ihre Bewohner als durch ihre Funktion. Das Herrenhaus ist immer der Mittelpunkt des Gutes wie das Rittergut, Weingut oder Adelsgut, also gewissermaßen eines historischen landwirtschaftlichen Betriebes, einer Gutsherrschaft. Der Gutsherr – der dem Adel entstammen konnte, aber nicht musste – war nicht nur Landbesitzer und Arbeitgeber, sondern konnte auf seinem Gut in der Regel auch Recht sprechen. Die Unterschiede zwischen Herrenhaus und Schloss liegen daher im funktionellen Bereich: Das kleine Gut eines nichtadligen Herrn hat nur ein Herrenhaus, das Herrenhaus eines adligen Gutsherrn kann auch als Schloss bezeichnet werden. Dient ein adliges Schloss lediglich repräsentativen Zwecken und gehört es nicht zu einem Gutsbetrieb, ist es kein Herrenhaus. Ist das Herrenhaus des nichtadligen Herrn besonders groß und ebenso künstlerisch gestaltet, wird es meist umgangssprachlich als Schloss bezeichnet.




Das Torhaus in Hamburg Wellingsbüttel


Die bauliche Entwicklung der Herrenhäuser setzte mit der Entstehung der landwirtschaftlichen Güter (vergleiche Meierhof) um 1500 ein. Ursprünglich handelte es sich um schlichte aber massive Wohnhäuser, die den Mittelpunkt der Gutsanlagen bildeten. In den Dokumenten historischer Archivbestände werden diese Häuser daher oft als Festes Haus bezeichnet. Oft hatten sie jedoch auch nur einen Feldsteinsockel und darüber einen Fachwerkaufbau, zudem teilweise einen Gewölbekeller und als Anbau einen Treppenturm. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts setzte sich der Ziegelstein für die Außenmauern durch. Über zweiflügelige Anlagen entwickelte sich das Herrenhaus zum die umliegende Landschaft auch optisch beherrschenden Dreiflügelhaus weiter. Im Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde das Herrenhaus zum Zentralbau größerer Hofanlagen. Ihm vorangestellt war häufig ein Torhaus, das den Eingang zur Anlage bildete.


Der Begriff „Herrenhaus“ wird eher in Norddeutschland verwendet und ist in Österreich, Bayern und Baden-Württemberg nicht verbreitet. Meistens wird dort diese Art von Gebäude „Schloss“, „Gutshof“ oder „Hof“ genannt. Der frühere Herrensitz des Grundherrn in einer bayrischen oder österreichischen Hofmark wird im bairischen Sprachraum als Hofmarkschloss bezeichnet. Auch im Baltikum, im heutigen Lettland und Estland, wurden sie umgangssprachlich „Schloss“ genannt.



Herrenhäuser in Deutschland |



Brandenburg |





Herrenhaus „Schloss“ Blankensee




Gutshaus Mon Plaisir in Altkünkendorf, Uckermark, Brandenburg




Gutshaus Katelbogen in Mecklenburg


Auch in Brandenburg fehlt eine klare Abgrenzung vom Schloss zum Herrenhaus; wie zum Beispiel beim Schloss Blankensee. Bereits Fontane stellte den Widerspruch in der in Brandenburg seit langem gebräuchlichen, jedoch unkorrekten Verwendung des Wortes „Schloss“ heraus. Gleichwohl spricht er von dem Mut der Brandenburger zur Verwendung einer „ausgleichenden höheren Titulatur“ und schließt sich der traditionellen Bezeichnung insbesondere hinsichtlich repräsentativer Herrenhausbauten als „Schlösser“ an.


In der wissenschaftlichen Literatur setzt sich, zumindest für die ehemaligen preußischen Provinzen folgende „Ausgangsdefinition“ durch: Als Herrenhaus wird das Wohnhaus einer privilegierten adligen Gutsherrschaft (Rittergut) bezeichnet, diese steht in engem Zusammenhang mit der Wahrnehmung und Ausübung ihrer gutsherrschaftlichen Rechte und Pflichten. Diese Rechte und Pflichten beziehen sich auf die Grund-, Leib- und Gerichtsherrschaft sowie das Kirchen- und Schulpatronat im Bereich des jeweiligen Rittergutsbezirkes. Ebenfalls eng verbunden mit diesen Privilegien war die sog. „Land-“ bzw. „Kreistagsfähigkeit“ des Rittergutes. Insgesamt betrachtet gilt jedoch aufgrund der komplexen sozioökonomischen Entwicklung der sich insbesondere im 19. Jahrhundert äußerst heterogen entwickelnden Gruppen von Großgrundbesitzern für die Handhabung des Wortes Herrenhaus eine fallweise Abwägung der jeweiligen wesentlichen Einflussfaktoren vor dem Hintergrund der jeweiligen Epoche.



Mecklenburg-Vorpommern |


Siehe: Herrenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern





Schloss Kartlow in Vorpommern


Ähnlich wie in Schleswig-Holstein nahmen auch die Herrenhäuser im heutigen Mecklenburg-Vorpommern große Ausmaße an. Adelsfamilien wie die von Maltzahn besaßen mehrere Güter in verschiedenen Regionen des Landes. In der 40-jährigen Bestehensphase der DDR gehörte der Schutz herrschaftlicher Häuser nicht zum Programm. So wurden die Häuser bis zur Unkenntlichkeit umgebaut oder als Steinbruch genutzt und großteils abgetragen. Inzwischen ist man sich aber der geschichtlichen Bedeutung der Gutsanlagen bewusst geworden, so dass viele wieder restauriert und neuen Nutzungen zugeführt wurden. Ein Beispiel dafür ist das Herrenhaus Katelbogen in Baumgarten bei Bützow.



Nordrhein-Westfalen |






Haus Dellwig, Dortmund


In Nordrhein-Westfalen, besonders im Münsterland, entwickelten sich die meisten Herrenhäuser aus ehemals befestigten Burg- und Wohnanlagen. Die einfache Bezeichnung als Haus ist hier sehr viel gängiger als der Terminus Herrenhaus; wird aber ähnlich fließend benutzt und die Übergänge vom Haus zum Herrenhaus bis zum Schloss sind durchaus gleitend und werden unterschiedlich angewandt und interpretiert.


Sehr häufig sind die Anlagen in Verbindung mit Wassergräben – die sich hier Gräften nennen – zu finden, die den ehemals wehrhaften Charakter des Hauses unterstreichen, z. B. in Haus Stapel. Kunstgeschichtlich sind Anlagen von der Gotik bis zur Neuzeit zu finden, viele sind zudem noch immer bewohnt und stellen weiterhin den Mittelpunkt von großen Gütern dar. Andere Herrenhäuser werden heute zu kulturellen Zwecken genutzt und sind auch für Besucher geöffnet.


Bekannte Beispiele für westfälische Herrenhäuser sind Haus Rüschhaus, Haus Bodelschwingh oder Haus Kemnade.



Schleswig-Holstein |





Herrenhaus und Ehrenhof des Gutes Emkendorf




Herrenhaus des Gutes Knoop


In Schleswig-Holstein sind die Herrenhäuser prägende Bestandteile der Kulturlandschaft. Bedingt durch Zugehörigkeit des Herzogtum Holsteins zum Deutschen Reich (das Herzogtum Schleswig verblieb bis 1864 als dänisches Lehen), aber die jahrhundertelange Bindung beider Herzogtümer an und Verwaltung durch Dänemark entstand hier ein einflussreicher und reicher Landadel, der seine Güter oft bis zur Schlossgröße, wie zum Beispiel in Borstel ausbauen konnte.


In Schleswig-Holstein sind die Herrenhäuser aus großen Gutshöfen hervorgegangen, davon zeugen in der Regel die großen Wirtschaftsgebäude und Torhäuser, die für Schleswig-Holsteiner Anlagen typisch sind und die das eigentliche Herrenhaus in ihren Dimensionen oft übertreffen (z. B. in Hasselburg). Ab dem Mittelalter bis zur Renaissance hat sich in Schleswig-Holstein für viele Herrenhäuser das sog. Mehrfachhaus bewährt, hierbei wurden mehrere Langhäuser mit jeweils eigenem Satteldach längs zueinander errichtet und mit Türmen, Giebeln und Erkern variiert. Typische Anlagen dieser Zeit sind zum Beispiel Ahrensburg, Nütschau und Wahlstorf. Auch das Schloss Glücksburg ist in dieser Form gestaltet. Im Barock setzen sich für die Herrenhäuser schlossartige Bauformen durch; zu den bekanntesten Anlagen dieser Zeit gehören die Herrenhäuser auf Emkendorf, Pronstorf oder auch auf dem lauenburgischen Wotersen. Viele Häuser erhielten jetzt zudem parkähnliche Gärten, von denen der – nur noch in Rudimenten vorhandene – Jersbeker Park sogar überregionale Bekanntheit erhält. Analog zur Entwicklung im Schlossbau wurden ab dem Klassizismus bis zum Historismus die Herrenhäuser dem neuen Zeitgeschmack angepasst oder neu errichtet, Gut Knoop ist ein bekanntes Beispiel für ein klassizistisches Herrenhaus im Land, Breitenburg für ein neugotisches.


Die Geschichte des Herrenhauses in Schleswig-Holstein ist noch nicht vorbei, viele Anlagen sind bis heute bewohnt und zum Teil sogar noch in Familienbesitz, sie sind Mittelpunkt ländlicher Güter und/oder kulturelle Treffpunkte, wie etwa Salzau. Gleichzeitig stellen die historischen Anlagen große Ansprüche an die Denkmalpflege und die finanziellen Möglichkeiten ihrer Besitzer.



Rest von Preußen |


Siehe: Gutsbezirk



Nicht deutschsprachige Gebiete |





Kinross House, Schottland


In England, Irland und Schweden sowie den Südstaaten der USA ist die Bezeichnung Herrenhaus („Manor“, „House“ oder „Hall“) für ein, meist adliges, Gut verbreitet.


Berühmte Herrenhäuser im Vereinigten Königreich sind Wilton House, Petworth House, Stourhead, Mount Edgcumbe House und Lancaster House.


In früheren osteuropäischen Staaten, wie Polen-Litauen oder Ungarn, in denen der Adel einen relativ hohen Anteil an der Gesamtbevölkerung hatte, waren Herrenhäuser oft von sehr bescheidener Größe und aus Holz gebaut, trotzdem durch eine spezielle Form gekennzeichnet und mit Parkanlage gestaltet. Diese Art von Herrenhäuser wird auf Polnisch dwór genannt („Hof“), im Gegensatz zu pałac („Schloss“), der dem Hochadel gehörte. In der niederländischen Provinz Groningen werden die zu Herrenhäusern erweiterten, bäuerlichen Steinhäuser Borgen genannt.


Herrenhäuser treten auch in anderen Kulturkreisen auf; beispielsweise bezeichnet man eine große, reiche Villa auf dem Land in der kretisch-minoischen Kultur als Herrenhaus; sie waren vor allem in der minoischen Kultur (Neupalastzeit, um 1700 v. Chr. bis 1450 v. Chr.) auf Kreta verbreitet.



Moderne Nutzung |


Da die historische Funktion der Herrenhäuser als Zentrum einer Gutsherrschaft nicht mehr gegeben ist, sind vor allem seit dem Ende des Landadels 1918 bzw. erneut nach 1945 (u. a. Bodenreformen) und 1990 neue Konzepte für die Nutzung nötig geworden. Es gibt heute verschiedenste moderne Nutzungsvarianten für historische Herrenhäuser und Gutsanlagen.[1] Beispiele sind:



  • Touristische Konzepte, etwa Hotel, Pension, Jugendherberge oder Hostel, Ferienwohnungen, Gastronomie- und Cafébetrieb, Reithof, oder Spa- und Wellness-Anlagen. Häufig werden bei touristischer Nutzung verschiedene Angebote gemacht, für private Feiern, Hochzeiten, Touren, oder es gibt Verleihmöglichkeiten für Fahrräder und Boote, oder auch Sportanlagen wie Tennis- und Golfplätze. Touristische Konzepte können dabei um medizinische Angebote, eine landwirtschaftliche Nutzung, kulturelle Veranstaltungen, museale Konzepte oder andere Nutzungsweisen ergänzt werden.

  • Wohnnutzung, Eigentums- oder Mietwohnungen, Alten- und Pflegeheim, betreutes Wohnen, Generationenhaus, mitunter auch als Einfamilienhaus (oft bei kleineren Bauten).

  • Gewerbliche Nutzung, als repräsentativer Firmensitz, Kongress- und Seminarstandort, Schulungszentrum, für Einzelbüros, als Kanzlei, als Manufaktur, als Einkaufsladen oder Spezialladen (z. B. Antiquitätenhandel, Baustoffhandel), als Galerie oder Atelier. Durch moderne Möglichkeiten der Telearbeit und verbesserte digitale Infrastruktur auch auf dem Land kommen eher abgeschiedene Herrenhäuser zunehmend auch für Arbeitnehmer und Freiberufler in Betracht, die vorwiegend via Computer und Telefon arbeiten (siehe auch: digitale Nomaden).

  • Öffentliche Nutzung, als Museum, als Schule, Kindertagesstätte, als kommunales Verwaltungszentrum, Sitz einer öffentlichen Einrichtung, als Dorf- und Kulturzentrum bzw. Gemeindehaus, als Archiv, Vereinshaus, oder für öffentliche Veranstaltungsräume. Häufig werden Herrenhäuser in Gemeindebesitz aufgrund des großen Platzangebotes für mehrere Funktionen genutzt. Hier genannte Konzepte können auch durch Privatbetreiber realisiert werden, z. B. als Privatschule/Internat oder als Privatmuseum.

  • Medizinische, wissenschaftliche oder gesundheitliche Nutzung, als Kurhaus, Klinik, als Arztpraxis, regionales Ärztehaus, als Forschungseinrichtung oder als universitätsanhängiges Institut.

  • Landwirtschaftliche Konzepte, wie Bauernhöfe, ökologische Landwirtschaftsbetriebe, Brennereien, Braubetriebe, Winzereien, mitunter mit Hofläden.

  • Sonstige Nutzungen, etwa als interkulturelle oder religiöse Zentren (z. B. Schloss Mitsuko), als Mietlager, oder auch als diplomatisch-konsularische Vertretung.



Siehe auch |



 Portal: Burgen und Schlösser – Übersicht zum Thema Burgen, Schlösser und Herrenhäuser


  • Adliges Gut

  • Ansitz

  • Campagne (Herrenhaus)

  • Gutshof

  • Rittergut



Literatur |




  • Sabine Bock: Gutsanlagen und Herrenhäuser. Betrachtungen zu den historischen Kulturlandschaften Mecklenburg und Vorpommern. Hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern. Thomas Helms Verlag Schwerin 1996, 2. erweiterte und überarbeitete Auflage 2001, 3. überarbeitete Auflage 2007.

  • Renate de Veer: Steinernes Gedächtnis. Gutsanlagen und Gutshäuser in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Handbuch. 4 Bände. Stock & Stein u. a., Schwerin u. a. 2005–2008, ISBN 978-3-89995-499-9 (Bd. 1–3), ISBN 978-3-939401-28-5 (Bd. 4), (Zugleich: Halle, Universität, Dissertation, 2005: Historische Gedächtnisse sind Palimpseste.).

  • Nils Meyer: Leerräume. Der Umgang mit Denkmalen als Sinnstiftungsprozess am Beispiel der Schlösser und Herrensitze in Brandenburg (= Stadtentwicklung und Denkmalpflege. Bd. 14). Jovis-Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-86859-081-4.



Weblinks |



 Commons: Manor house – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien


 Wiktionary: Herrenhaus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


 Wiktionary: Gutshaus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen


  • Gutshäuser in Mecklenburg-Vorpommern

  • Herrensitze in Sachsen, Lausitz, Anhalt, Thüringen und Niedersachsen

  • Burgen und Herrensitze in der Nürnberger Landschaft


  • Informationen des VVV Groningen über die Borgen in der Provinz Groningen (de)



Einzelnachweise |




  1. Alte Schlösser: Nutzungskonzepte gefragt, FAZ Online, 16. Dezember 2008









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