Inertgas




Als Inertgase bezeichnet man Gase, die sehr reaktionsträge (inert) sind, sich also an nur wenigen chemischen Reaktionen beteiligen. Es sind Edelgase oder, wenn sie Molekülverbindungen sind, zeichnen sie sich in der Regel durch eine stark negative Standardbildungsenthalpie aus. Inertgase sind geruchlos und ungiftig, und ihre Präsenz kann durch den Geruchssinn, also ohne technische Hilfsmittel nicht direkt wahrgenommen werden.


Zu den Inertgasen gehören zum Beispiel elementare Gase wie Stickstoff, Edelgase wie Helium, Neon, Argon, Krypton, Xenon, und gasförmige Molekülverbindungen wie Schwefelhexafluorid und Kohlendioxid.[1] Ob man ein bestimmtes Gas für eine bestimmte Anwendung als Inertgas bezeichnet, ist allerdings auch vom konkreten Fall abhängig. Beispielsweise ist Stickstoff bei Temperaturen wie sie beim Weichlöten auftreten als Inertgas verwendbar. Hingegen beim Schweißen von bestimmten hochlegierten Stählen kommt es bei den hohen Temperaturen zu einer unerwünschten chemischen Reaktion von Stickstoff und muss in dieser Anwendung durch teureres Argon, welches als Edelgas auch bei höheren Temperaturen inert ist, ersetzt werden.


Inertgase finden Verwendung um den in der Luft mit ca. 21 % enthaltenen Sauerstoff von bestimmten chemischen Reaktionen fernzuhalten. Anwendung von größeren Mengen ist beispielsweise das Spülen von Bereichen in welchen sich vorher leicht brennbare Gase befanden und um letzte Gasreste zu entfernen die sonst mit dem Luftsauerstoff zündfähige Gasgemische darstellen würden. Durch die Verdrängung oder deutliche Reduzierung von Sauerstoff können durch Inertgase oxidative Prozesse wie die Verbrennung, Explosionen oder auch im Bereich der Metallberarbeitung Verzunderung von Stoffen verhindert werden.




Inhaltsverzeichnis






  • 1 Gefahren


  • 2 Explosionsschutz


    • 2.1 Schifffahrt


    • 2.2 Kampfflugzeuge


    • 2.3 Chemische Industrie




  • 3 Tierschlachtung


  • 4 Weitere technische Anwendungen


  • 5 Literatur


  • 6 Referenzen





Gefahren |




Warnsymbol vor der Erstickungsgefahr von Inertgasen


Da auch die meisten Lebewesen und auch der Mensch von der Verfügbarkeit von Sauerstoff in der Atemluft abhängt, sind bei dem Umgang von größeren Mengen reiner Inertgase, besonders in geschlossenen Räumlichkeiten, einschlägige Sicherheitsregeln einzuhalten. Bis auf Kohlendioxid, welches bei zu hoher Konzentration in der Atemluft zu deutlichen Erstickungsgefühl führt, besteht die Gefahr bei den anderen Inertgasen und bei Sauerstoffverdrängung in einer bewusst nicht wahrnehmbaren Asphyxie. Bei allen Inertgasen kommt es in Folge zu einer Bewusstlosigkeit und Tod durch Erstickung.[1] Pro Jahr kommt es in Deutschland zu einigen tödlichen Arbeitsunfällen in Zusammenhang mit Inertgasen mit den Hauptursachen von nicht korrekt angewendeten Arbeitsanweisungen und ungenügender Schulung der betroffenen Mitarbeiter, in Kombination von technischen Gebrechen wie Leckagen von Gasflaschen und Schläuchen oder dem Auslaufen und plötzliche Verdampfen größerer Mengen verflüssigter, kalter Gase wie Stickstoff aus Dewargefäßen in unzureichend belüfteten Räumen.[2]



Explosionsschutz |



Schifffahrt |


Bei Tankern wird beim Herauspumpen (Löschen) der brennbaren Flüssigladung zum Auffüllen des entstehenden Restvolumens im Tank Inertgas eingefüllt, um zu verhindern, dass ein explosives Luft-Gas-Gemisch entsteht, welches durch Funken gezündet werden könnte. Hierzu werden in der Öltankerfahrt die inerten Abgase der Hauptantriebsanlage verwendet (Dieselmotorabgase beim Motorschiff oder Kesselabgase beim Turbinenschiff).


Auf Flüssiggastankern sind spezielle Inertgasanlagen installiert, da die qualitativen Anforderungen an das Inertgas höher sind als in der Öltankerfahrt. In einer Brennkammer wird schwefelarmes Dieselöl so verbrannt, dass der Restsauerstoffgehalt im Abgas 0,2 Vol.-% nicht übersteigt. Anschließend werden mittels Seewasser Rußpartikel und wasserlösliche Substanzen ausgewaschen. Danach wird das Gas mit Hilfe einer Kälteanlage (Kältetrockner) auf 8 bis 10 °C abgekühlt, dabei kondensiert das im Gas enthaltene Wasser und wird über einen Abscheider entfernt. Dem so vorgetrockneten Gas wird anschließend in einem Adsorptionstrockner die Restfeuchte entzogen, um den je nach Ladung geforderten Taupunkt sicherzustellen, so muss in der LNG-Fahrt ein Taupunkt ≤ −40 °C sichergestellt werden. Zum Inertisieren der Barrieren wird in der Flüssiggasschifffahrt Stickstoff verwendet. Dieser wird entweder in flüssiger Form mittels Tankwagen an Bord geliefert und dort je nach Bedarf verdampft oder mittels Membrananlagen an Bord aus der Luft gewonnen.



Kampfflugzeuge |


Ähnlich wie in der Schifffahrt werden auch die Treibstofftanks von Kampfflugzeugen mit einem inerten Gas beaufschlagt, um Feuer und Explosion zu verhindern. Zur Anwendung kommt trockener Stickstoff.


Nach einem Boeing 747-Absturz im Jahr 1996, der durch Explosion eines Treibstofftanks durch Funkenbildung der Tankelektrik verursacht wurde, wurde diskutiert, dies auch in der zivilen Luftfahrt zu praktizieren. Daneben sucht man nach Möglichkeiten, das Kerosin so zu beeinflussen, dass es unter den im Tank herrschenden Bedingungen unbrennbar oder zumindest schwer entflammbar ist.



Chemische Industrie |


Inertgase werden in der chemischen Industrie in Lagertanks zum Explosionsschutz beaufschlagt, außerdem werden sie als Schutzgas zur Produktionssicherung verwendet. Zudem sind Schutzgase auch beim präparativen Arbeiten im chemischen Labor oft von großer Bedeutung. So ermöglichen sie z. B. Reaktionsführungen mit Stoffen, die sich bei Kontakt mit Luftsauerstoff oder Luftfeuchtigkeit sofort zersetzen würden. Hierzu wird oft nur innerhalb des Reaktionsgefäßes (z. B. Schlenk-Kolben) die Luft durch ein Schutzgas ersetzt.



Tierschlachtung |


Inertgase werden auch zur Betäubung vor der Tötung von Schlachttieren wie Schweinen im Rahmen der industriellen Schlachtung eingesetzt. Primär wird dabei Kohlendioxid in einer Gasgrube mit einem Paternostersystem ohne Gasschleusen eingesetzt. Experimentell und auch schonender erfolgt die Erstickung der Schlachttiere mit Argon, Stickstoff oder Helium, welche aber teurer und technisch aufwändigere Infrastruktur wie Gasschleusen im Schlachtbereich erfordern.[3]



Weitere technische Anwendungen |




  • Brandschutz: zur Brandbekämpfung in Inertgas-Löschanlagen (z. B. in Rechenzentren) oder zum präventiven Brandschutz durch Inertisieren in aktiven Brandvermeidungssystemen

  • Chemische Synthese, wenn Reaktionskomponenten (z. B. metallisches Lithium) ungewollt mit Bestandteilen der Luft reagieren würden (Schutzgas- oder Schlenktechnik)


  • Verpackungstechnik, zur Verlängerung der Haltbarkeit von Lebensmitteln


  • Schweißen, dort wird Argon als Schutzgas eingesetzt


  • Reflow-Löten, dort wird Stickstoff eingesetzt

  • In Gasanlagen, z. B. zur Dichtheitsprüfung

  • Arbeiten im sogenannten Handschuhkasten

  • In Glühlampen, um das Verglühen der Wendel zu verhindern


  • Gaschromatographie, dort Einsatz als mobile Phase (Trägergas)


  • Anästhesie, dort wurde das Lachgas lange Zeit als Inertgas betrachtet und aus diesem Grund nicht in die toxikologische Beurteilung der Narkosegasexposition des Anästhesiepersonals einbezogen


  • Tauchen, dort werden Helium und Neon in Atemgasmischungen eingesetzt, um einer Stickstoffnarkose vorzubeugen

  • Als Antriebsmethoden für die Raumfahrt in Raumsonden oder Raumstationen, meist für Steuerungsdüsen als auch einzige Antriebsquelle


  • Dekompressionsmodelle, simulieren die Sättigung durch Inertgase (meist Stickstoff) in unterscheiden Körpergeweben.



Literatur |


  • International Maritime Organization: Inert gas systems. 3. Auflage. IMO Publishing, 1990, ISBN 92-801-1262-7; Digitalisat


Referenzen |




  1. ab Hazards of inert gases and oxygen depletion. European Industrial Gases Association AISBL, 2009, abgerufen am 21. Juli 2018. 


  2. Sauerstoffmangel - Erstickung - Eine tödliche Gefahr. Industriegasverband e.V., abgerufen am 16. August 2018. 


  3. Michael Marahrens, Inga Schwarzlose: Untersuchungen zur Betäubung von Schlachtschweinen mit einem Stickstoff gefüllten hochexpansiven Schaum unter Tierschutz und Fleischqualitätsaspekten. Friedrich Loeffler Institut (FLI), Institut für Tierschutz und Tierhaltung (ITT), abgerufen am 16. August 2018. 









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