Mäander
Mäander ist die Bezeichnung einer Flussschlinge in einer Abfolge weiterer Flussschlingen,[1] wie sie sich in unbefestigten Fließgewässerabschnitten mit sehr geringem Sohlgefälle und gleichzeitig transportiertem, feinkörnigem Geschiebe auf natürliche Weise bildet. Entsprechende Flussabschnitte werden als mäandrierende Flüsse bezeichnet. Mäander greifen mit der Zeit durch Erosion an der Kurvenaußenseite (Prallhang) und Sedimentation an der Kurveninnenseite (Gleithang) immer weiter seitlich aus, bis es an den Enden der Schlinge zu einem Durchbruch kommt. Danach wird der Mäander zum Altarm und verlandet schließlich.
Die Intensität des Mäandrierens eines Fließgewässers hängt von der Beschaffenheit des Untergrundes und der Fließgeschwindigkeit ab. Als einfaches Maß dient das als Sinuosität bezeichnete Verhältnis von Gewässerlänge zu Luftlinie.[2]
Inhaltsverzeichnis
1 Etymologie
2 Strömungsphysik
2.1 Entstehung
2.2 Durchbruch
3 Talmäander
4 Auswirkungen auf den Menschen
4.1 Politische Auswirkungen
4.2 Wirtschaftsfaktor
4.3 Naturschutz
5 Abgrenzung
6 Weblinks
7 Einzelnachweise
Etymologie |
Das Wort Mäander stammt vom griechischen Namen Μαίανδρος Maiandros für die heute den Namen Menderes tragenden Flüsse in der westlichen Türkei (Großer Mäander und Kleiner Mäander, der Kleine Mäander trug jedoch in der Antike ursprünglich einen anderen Namen). Bereits in der Antike waren die genannten Wasserläufe bekannt für ihre zahlreichen Flussschlingen.
Strömungsphysik |
Entstehung |
Ursache der Mäandrierung ist eine durch die Bodenreibung des Wassers verursachte Querzirkulation, die entlang des Flussbodens von der kurvenäußeren Seite zur kurveninneren Seite und an der Flussoberfläche zurück zur kurvenäußeren Seite führt. Diese Querzirkulation entsteht folgendermaßen:
- Eine zufällige Unregelmäßigkeit im Flussbett bewirkt Unterschiede in der Strömungsgeschwindigkeit, durch die höhere Erosion entsteht eine leichte Ausbuchtung auf der Seite mit der schnelleren Strömung. Schließlich bildet sich eine Kurve, durch die Zentrifugalkraft besitzt sie einen höheren Wasserstand an der Außenseite. Hierdurch entsteht für alle Wasserteilchen eine Druckgradientkraft in Richtung des Kurveninneren (Zentripetalkraft). Der Wasserstand ist somit zunächst eine Äquipotentialfläche aus dem Potential der Gravitation und der Zentrifugalkraft. Damit alleine hat man eine Gleichgewichtsströmung um die Kurve, die keine Querzirkulation verursacht.
- In der Nähe des Flussbettes entsteht Reibung, welche die Fließgeschwindigkeit mindert und die Zentrifugalkraft abgeschwächt. Die Druckkraft dagegen bleibt gleich, weil die Statik der Wasseroberfläche unverändert besteht. In der Summe erfahren die bodennahen Wasserteilchen an der Kurvenaußenseite dadurch eine Querbeschleunigung in Richtung des Kurveninneren.
- In der Folge entsteht an der Oberfläche aus Gründen der Massenerhaltung eine Komponente der Strömung in Richtung Kurvenäußeres. Diese wird balanciert durch den höheren Wasserstand an der kurvenäußeren Seite.
Aus dieser Querzirkultion und der Gewässerströmung entsteht in der Summe längs des Flusskörpers eine helicale Strömung, die am Gewässerboden Richtung Kurveninnenseite strömt. Weil die Strömungsgeschwindigkeit zum Kurveninnern abnimmt, wird die helicale Strömung nach innen hin ebenfalls langsamer und die Sedimentfracht sinkt wieder zu Boden. Somit befördert die helicale Strömung Sedimente vom Prallhang zum Gleithang, wodurch die Krümmung des Mäanders ständig zunimmt.
Durchbruch |
Berühren sich zwei benachbarte Flussschlingen, bricht der Fluss in rasanter Geschwindigkeit durch und fließt künftig durch die Abkürzung. Zurück bleibt ein kreisförmiger Altarm, der nicht mehr durchflossen wird. Das vom Altarm umgebene etwas erhöhte Gebiet besteht aus abgelagerten Flusssedimenten und wird Umlaufberg genannt.[3]
In der Regel bildet sich an der Durchbruchstelle durch den Höhenunterschied eine Stromschnelle, die sich in einer rückschreitenden Erosion flussaufwärts verlagert. Das oberhalb befindliche Flussbett liegt dadurch nach einiger Zeit entsprechend tiefer. Diese Flussbettvertiefung betrifft nicht den Altarm; in dem stehenden Gewässer sinkt im Gegenteil das Sediment zu Boden und zusammen mit dem Laubeintrag verlandet das stehende Altwasser immer weiter und wird schließlich zu einem Trockental.
Talmäander |
Bei nachträglicher Geländehebung kann sich ein Fluss unter Beibehaltung der im Flachland erworbenen Schlingenform tief ins Gebirge einschneiden. Solche Zwangsmäander müssen jedoch nicht unbedingt durch eine „historisch vorgegebene“ Mäandrierung eingeleitet worden sein. Sie können aufgrund geologisch vorgegebener Formationen entstehen, wie beispielsweise der Mittelrhein oder die Moselbögen.
Auswirkungen auf den Menschen |
Politische Auswirkungen |
Bei Flüssen, in denen Landesgrenzen verlaufen, wird in der Regel ihr Talweg in Grenzverträgen als Grenzlinie verwendet, so dass selbst die Zugehörigkeit von Flussinseln eindeutig geregelt werden kann. Ist ein Gewässerverlauf erst einmal geodätisch definiert, können Änderungen im Flussverlauf zur Bildung von Flächen führen, die zwar nach wie vor Teil einer Gebietseinheit sind, von dieser jedoch durch den neuen Flussverlauf abgetrennt und somit oft schlecht zugänglich sind. Mitunter kommt es in diesen Fällen zum Gebietstausch; ferner bieten sich solche Bereiche auch als Naturreservat oder Retentionsfläche an.
Wirtschaftsfaktor |
Wegen der höheren Fließgeschwindigkeit standen historische Wassermühlen bevorzugt an jüngeren Mäanderdurchbrüchen.
Stark mäandrierende Flüsse, wie der Mississippi oder der Rhein sind vielfach durch Flussbegradigung schiffbar gemacht worden. Der Rhein wurde allein durch die von Johann Gottfried Tulla zwischen 1817 und 1819 eingeleitete Begradigung von Karlsruhe bis Mannheim von 135 Kilometer auf 86 Kilometer verkürzt. Eine solche Flussbegradigung hat eine Absenkung des Grundwasserspiegels und durch die erhöhte Fließgeschwindigkeit eine stärkere Erosion des Flussbettes zur Folge, damit besteht eine höhere Hochwassergefahr für nachfolgende Flussabschnitte. Die landwirtschaftliche Nutzbarkeit der anliegenden Flächen und die Wasserversorgung anliegender Waldflächen wird verändert.
Die physikalischen Gewalten des Mississippi, die im Laufe der Zeit zu überlagernden Mäanderverläufen geführt haben, sind Teil der amerikanischen Folk-Mythologie. In den 1940er Jahren wurde eine große Studie vom Geologen Harold Fisk durchgeführt. Fisk untersuchte mit einem Team von Geologen und Geographen die Flussläufe des Mississippi – seine Haupt- und Nebenströme, die toten Seitenarme und die trocken gefallenen Flussbette sowie das Schwemmland.[4]
Naturschutz |
Die negativen Auswirkungen des Flussbaus der vergangenen Jahrzehnte führten zur europäischen Wasserrahmenrichtlinie, aufgrund derer die Uferbefestigungen von begradigten Fließgewässern mancherorts wieder zurückgebaut werden. Dies bezeichnet man als Renaturierung, in der Folge bilden sich in den Fließgewässern auf natürlichem Weg erneut Mäander. Bevorzugt renaturiert werden Oberläufe, die nicht der Schifffahrt dienen, beispielsweise die Nidda bei Bad Vilbel oder der Main bei Unterbrunn.
Abgrenzung |
Eine einzelne Flussschlinge in einem Flusslauf wie beispielsweise die Saarschleife wird nicht als Mäander bezeichnet, ebenso wenig eine als
Flussknie bezeichnete Flussschlinge mit anschließend markant veränderter Fließrichtung.
Weblinks |
Commons: Mäander – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Mäander – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Bernhard, Karl-Heinz: Teetassen-Zyklonen und Flußmäander – Einstein klassisch, Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät, 78/79(2005), 81–95 und Quellenangaben hierin.
Harold N. Fisk, Alexander Trevi (Hrsg.): Geological Investigation of the Alluvial Valley of the Lower Mississippi River, Part II Kartenauszüge von 1944 und weiterführende Links- Egon Specht: Alte Flussschleifen der Ahr bei Altenburg und Mayschoß - Kreis Ahrweiler
Einzelnachweise |
↑ Geografie-Lexikon: Mäander geodz.com
↑ F. Ahnert: Einführung in die Geomorphologie. 4. Auflage, 2009
↑ http://www.spektrum.de/lexikon/geographie/maeander/4867
↑ Harold N. Fisk: Geological Investigation of the Alluvial Valley of the Lower Mississippi River